Rezept: Aalspiesschen zu Sankt Vinzenz

Menge: 4 Portionen



Zutaten für Rezept Aalspiesschen zu Sankt Vinzenz:



Zuerst das Rezept: Lassen Sie den Aal von Ihrem Fischhändler

ausnehmen, sorgfältig häuten und in Stuecke schneiden. Die

Aalstuecke auf Spiesschen stecken, dazwischen Lorbeerblätter. Eine

Mischung aus Essig, Oel und der Gewuerzmischung vorbereiten und in

ein Gefäss giessen, in das man den Rosmarinzweig taucht.



Die Spiesschen in etwas Entfernung von der Glut rösten und häufig

mit der obigen Mischung mit Hilfe des Rosmarinzweigs ueberträufeln.

Das Garen gut ueberwachen, damit der Aal nicht zerfällt.



Wenn der Aal gar ist, die Stuecke in einem tiefen Teller verteilen

und den Saft der Orangen, Zitronen und Granatapfel dareuebergiessen,

mit gemahlenem Ingwer und Kardamom ueberstreuen. Warm halten und

lauwarm servieren.



Und nun die Geschichte... Ser Meoccio war Pfarrer von Pernina, einer

Kirche der Montagnola, nahe Siena. Mehr als alles andere liebte er

eine gute Mahlzeit und liess sich von seinen Pfarrkindern beschenken.

Ser Meoccio bestand besonders auf der Wichtigkeit solcher Gaben, die

fuer den Heiligen des Namenstages abgegeben wurden. Die

leichtgläubigen Bäuerinnen schmueckten also den Altar der Kirche

mit allem, was ihr Garten, ihr Huehnerhof und ihre Herden hergaben.



In jenem Jahr fiel Sankt Vinzenz (22. Januar) auf einen Freitag; ein

Mann namens Vinzenz kaufte also fuer den Pfarrer einen schönen Aal

von 10 Pfund (3.3 kg) und trug ihn ins Pfarrhaus, aber er kam zu

spät, der Pfarrer war schon gegangen, um die Messe zu zelebrieren.

Dessen ratloser Koch ging zur Kirche und zog im Portal stehend die

Aufmerksamkeit des Priesters auf sich, indem er heftig gestikulierend

den Aal zeigte. Der Pfarrer verstand; er war aber gerade dabei, von

den Wundern und dem Martyrium des Heiligen Vinzenz zu erzählen, also

änderte er seine Predigt, idem er eine offensichtlich etwas schwache

Ueberleitung wählte: "Sankt Vinzenz ass und trank mässig; er war

nicht wie jene Fressäcke von heute, und deshalb werde ich eine

Geschichte erzählen, deren Zeuge ich war..." Und er erzählte, wie

sein Herr und vier junge Kameraden einen dicken Aal kochten; er

selbst bediente am Tisch. Das Rezept wird also als Exemplum von der

Kanzel herab verkuendigt. Exemplum ist eine bilderreiche, mit

Selbsterlebtem grundierte Erzählung, die ein Priester in seine

Predigt einflocht, um seine Schäfchen zu ueberzeugen. Nach dem

Rezept schildert der Pfarrer das Menue, um dann mit einem hastigen

Redeschluss zu enden, denn Ser Meoccio ist in Eile, er möchte zu

Hause die Vorbereitungen des Festmahls ueberwachen. Sechs Priester

schlagen sich dem Bauch voll, berichtet Sermini weiter, während

Vinzenz und seine Familie in einer benachbarten Huette Bohnen und

Kleinkram essen.



Die Geschichte könnte hier enden, aber Sermini ist in Fahrt

gekommen. Die satten Priester verfallen in ekstatische Zustände und

stimmen das Te Deum an. Aufgescheucht durch die Schreie und den

Gesang, eilen Vinzenz und seine Familie herbei. Um den exzessiven

Gesang zu rechtfertigen, erfindet Ser Meoccio die Erscheinung des

heiligen Vinzenz, der ihm ueberschwenglich fuer ein Festmahl gedankt

habe, von dem er keinen Bissen abbekommen hatte. Der Pfaffer

verbreitet Wundereffekte mit einem Duft von Heiligkeit, indem er

Rosenwasser ueber der frommen Familie versprengt.



Wir sind im 15. Jahrhundert, und der Unwille gegen eine korrupte

Kirche steigt. Lodovico Salerni, ein Stadtbuerger, klueger als die

Bauern, demaskiert den schlechten Priester: Sermini ist immer

unbarmherzig, sowohl mit Kirchenleuten als auch mit Erdenmenschen. Im

Eifer des Gefechts nimmt Ludovico das Brevier des Pfarrers an sich:

"Darin standen nur Kochrezepte, in denen alle denkbaren Speisen und

Leckereien aufgefuehrt waren, ausserdem die Art, sie zuzubereiten,

die Saucen, zu denen sie zu essen waren, und die Jahreszeit, wann man

sie zu kochen hatte".



Auf dieses Gebetbuch bezieht sich ganz sicher auch das Rezept zu

Ehren von Sankt Vinzenz, kehren wir nun dahin zurueck und ueberlassen

wir Ser Meoccio seinem traurigen Schicksal, denn er flieht aus Angst

vor dem Inquisitor und dem Bischof, wird von Piraten gefangen und

erleidet Schiffbruch in der Tibermuendung; schliesslich findet er als

einzige Anhilfe vor Hunger und Armut die Barmherzigkeit von Lodovico

Salerni.



Noch heute wird am Ufer des Trasimenischen Sees der Aal gewöhnlich so

zubereitet. Vorzugsweise sollte er auf einem Barbecue gegart werden,

denn dort ist er leichter zu rösten als in einem Ofen am Spiess. Da

die Orangen des Mittelalters nicht suess waren, wurde hier eine



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